Der letzte jüdische Lehrer und Rabbinatsverweser

המורה היהודי שעבר וחזן

Leon Schmalzbach (1828-1942), Ölgemälde in der Synagoge Hechingen, nach einem Foto von U. Hentsch, alle Rechte vorbehalten!
Leon Schmalzbach (1828-1942)

Leon Schmalzbach erblickte am 13. Oktober 1882 in Jarosław (Jaroslau) im Süden Polens das Licht der Welt.

Er war Lehrer, Musiker und Rabbinatsverweser in Hechingen.

Leon Schmalzbach gehörte zu den elf Hechinger Juden, die 1941 von dem Jüdischen Schul- und Gemeindehaus, das rechts neben der Synagoge steht, unter Bewachung nach Stuttgart überführt wurden. Von dort wurden sie am 1. Dezember 1941 ins KZ Jungfernhof bei Riga in Lettland "deportiert". 1942 kam er im KZ Jungfernhof ums Leben.

Tabellarischer Lebenslauf

Leon Schmalzbach um 1925 (Ausschnitt). - Aus d. Privatsammlung v. Otto Werner, mit freundl. Gen. aus: Otto Werner: Synagogen und jüdischer Friedhof in Hechingen, Hechingen 1996, Seite: 179
Leon Schmalzbach um 1925, Foto aus d. Privatsammlung von Otto Werner (Ausschnitt)

In Jarosław (deutsch: "Jaroslau", Südpolen) wurde Leon Schmalzbach im Haus Nr. 135 am 13. Oktober 1882 geboren.

 

Sein Vater, Rubin Josef Schmalzbach, war Musiker und Malergehilfe (geboren 1856). Seine Mutter war Anna Chaje, geb. Käfer aus Tarnow (geboren 1859).

 

Die Beschneidung von Leon Schmalzbach war am 13. Oktober, dort erhielt er seinen Namen Leon. Er hatte fünf Geschwister: Hermann (geb. 1884), Michael David (geb. 1886), Karl Wilhelm (geb. 1887), Franziska (Fanny) Charlotte (1890-1941) und Debora Gisela (geb. 1896).

Im Jahr 1884 zog die Familie Schmalzbach nach München um. Dort besuchte Leon Schmalzbach die Volksschule (1888-1892) und danach die Kreisrealschule in München. 1895-1898 besuchte er die Präparandenanstalt in Höchberg bei Würzburg.
1898-1901 Königliches Schullehrer-Seminar in Würzburg
1901-1907 Ausbildung als Volksschullehrer in Pfungstadt bei Darmstadt sowie als Religionslehrer, Vorsänger und Rabbinatsverweser.

1901-1904 erste Anstellung am Lehr- und Erziehungsinstitut des Dr. Barnaß in Pfungstadt
1904-1908 Sieben Semester Studium an der Königlichen Akademie der Tonkunst in München (u. a. bei Max Reger)

Rabbinatsverweser Leon Schmalzbach (1882-1942) - Foto: Stadtarchiv Hechingen, aus: Otto Werner: Synagogen und jüdischer Friedhof in Hechingen, Hechingen 1996, S. 162

1908 Probegottesdienst in der Synagoge Hechingen, am 9.11. zunächst provisorische Anstellung als Lehrer, Vorsänger und Rabbinatsverweser bei der jüdischen Gemeinde Hechingen, seine Dienstwohnung war im "israelitischen Schul- und Gemeindehaus", ab 24.11. wöchentlich zwei Stunden Religionsunterricht am Realgymnasium

1912 Entdeckung und Erforschung der „Hohenzollernhöhle“, Erhalt der preußischen Staatsbürgerschaft, am 1. August Anstellung als staatlicher Lehrer auf Lebenszeit.

1915 Entdeckung der "Mackensenhöhle" (beide Höhlen befinden sich am "Hangenden Stein", ab 14. Oktober Kriegsteilnehmer (1. Weltkrieg) Frontkämpfer, Verwundung, Eisernes Kreuz II. Klasse (1918).
1919 Eheschließung mit Mina, geb. Weil (5.5.1888-1942, geschieden 1926)

Tochter Ruth um 1925 (Ausschnitt), aus d. Privatsammlung von Otto Werner, mit freundl. Gen. aus: O.Werner: Synagogen und jüdischer Friedhof in Hechingen, Hechingen 1996, Seite: 179
Ruth Schmalzbach um 1925, Foto aus der Privatsammlung von Otto Werner (Ausschnitt)

1920 Geburt der Tochter Ruth
1925 Eintritt in das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ in Hechingen, Dirigent des Musikvereins Hechingen, des Arbeitergesangsvereines "Vorwärts" und des Männergesangsvereines "Eintracht Bisingen" (bis zu seinen Ausschlüssen aus den Vereinen nach Hitlers Machtantritt 1933), davor hatte Leon Schmalzbach den "Narrenmarsch" für die Fasnachtsgesellschaft „Narhalla“ und zahlreiche „Neue Volkslieder“ komponiert.

1926 wurde die Israelitische Volksschule Hechingen wegen zu geringer Schülerzahl aufgelöst. Leon Schmalzbach trat in den einstweiligen Ruhestand, erteilte aber weiterhin Religionsunterricht für die jüdischen Schülerinnen und Schulen an den Hechinger Schulen.

1933/1934 Entlassung aus dem Staatsdienst als „nichtarischer Beamter“, Überführung in den dauernden Ruhestand

Ab 1935 Beauftragter für die Jüdische Winterhilfe im Land Hohenzollern, mit Carl Hamburger Erstellung der Gräberliste des jüdischen Friedhofes
1938 Kürzung des Ruhegehaltes als ehemaliger jüdischer Beamter, im Zuge der „Reichspogromnacht“ nachdem die Synagoge demoliert worden war in das KZ Dachau eingeliefert ("Schutzhaft" genannt)

Kennkarte von Leon Schmalzbach (Detail), Stadtarchiv Hechingen, Foto: www.keidel-hechingen.de, aus: O. Werner: Leon Schmalzbach (1882-1942). Lehrer und Rabbinatsverweser in Hechingen, in: ZHG 103/1980

1939 Zwangsvorname "Leon Israel Schmalzbach", Beantragung eines Reisepasses wegen geplanter "Ausreise" in die landwirtschaftliche Kolonie Independecia nach Paraguay "als Siedler", Tochter Ruth Schmalzbach gelang es, über England in die USA zu gelangen, am 10. November wurde Leon Schmalzbach wieder "verhaftet" und ins Gefängnis nach Stuttgart überführt

"Judenstern", Foto: Zserghei, gemeinfreie Abbildung
"Judenstern", Foto: Zserghei, gemeinfreie Abbildung

1941 Ab 19. September musste Leon Schmalzbach wie die anderen Juden den "Judenstern" in Herzhöhe an die Kleidung aufgenäht tragen, am 27. November "Deportation" in das Sammellager Killesberg, Stuttgart (dabei war auch seine geschiedene Frau Mina), am 1. Dezember verließ der "Deportationszug" Stuttgart mit Ziel KZ Jungfernhof, 3 Tage und 3 Nächte Fahrt, Ankunft an der Bahnstation Šķirotava bei Riga, von dort ins KZ Jungfernhof nahe des Dorfes Jumpravmuiža.

1945 Die einzige aus Hechingen stammende und - nicht aus Hechingen, sondern von ihrem Wohnort Stuttgart aus deportierte - die Vernichtungslager überlebende Jüdin Meta Jaschkowitz geborene Eppstein schrieb: "Schmalzbach unser guter Lehrer ist gleich im Jungfernhof bei Riga verhungert und gestorben, ebenso Isidor Bernheim."

 

Quellen und Zitate aus: Otto Werner: Leon Schmalzbach (1882-1942). Lehrer und Rabbinatsverweser in Hechingen, in: ZHG 103 (1980), sowie Otto Werner: Deportation und Vernichtung hohenzollerischer Juden, Hechingen 2011, Seite 63-70.

Siehe hierzu auch die Kennkarte Leon Schmalzbachs bei den "Pädagogischen Tipps"!

Text: Manuel Werner

Themen: Leon Schmalzbach, Synagoge Hechingen, Alte Synagoge Hechingen, Geschichte der Juden in Hechingen, inhaltlich verantwortlich/Text: Manuel Werner

Bildlizenzen:

 

Das Foto des "Judensterns" von Zserghei ist gemeinfrei (GNU-Lizenz)